Zum Thema Kinderschutz habe ich potskids ein Interview gegeben. Hier ein Auszug aus dem Interview.
Kinderschutz ist eines Ihrer Schwerpunktthemen – warum?
Das Thema Kinderschutz liegt mir besonders am Herzen. Ursprünglich habe ich das Thema Kinderschutz im Unternehmen „MenschensKinder“ in Teltow mit etabliert – dort haben wir angefangen, einheitliche Richtlinien für die Kolleg*innen zu erarbeiten und aus den vielen Handlungsspektren und ‑empfehlungen, die es gibt, so eine Art konkreten Leitfaden zu entwickeln – mit einheitlichen Richtlinien.
Wer kommt zu Ihnen, um sich zum Thema Kinderschutz beraten zu lassen?
Erzieher*innen, Teams, Kitaleitungen, pädagogische Fachkräfte jeder Art, Amtsvormünder, Regionalteams, Mitarbeiter*innen des Jugendamts und der ambulanten und flexiblen Hilfen. Eher selten das soziale Umfeld von Betroffenen, wie Nachbarn oder Verwandte, und kaum Eltern. Was wohl auch daran liegen mag, dass meine Beratung nicht kostenlos ist.
Warum ist Kinderschutz als Thema in der Kita Ihrer Meinung nach so wichtig?
Die Kita ist eine sehr gute Anlaufstelle, weil die Kinder dort viel Zeit verbringen. Erzieher*innen spielen beim Kinderschutz eine Schlüsselrolle. Je fitter sie sind, je besser im Team aufgestellt und je gründlicher sie schauen dürfen, sich auseinandersetzen dürfen, desto besser der Kinderschutz. Erzieher*innen haben oft einen guten Draht zu den Eltern und können schon viel durch Gespräche bewirken, noch vor dem potentiellen Eingreifen des Jugendamts.
Erzieher*innen im Kitakontext sind derzeit oft die Geschulteren und teilweise auch Mutigeren, was das Thema Kinderschutz angeht. In Kitas gibt es mittlerweile auch immer wieder ausgebildete Multiplikator*innen für Kinderschutz, teilweise gibt es sogar trägereigene „Insoweit erfahrene Fachkräfte“ (Anm. d. Red.: Das sind in der Kinderschutzarbeit speziell qualifizierte Fachkräfte, die Pädagog*innen beraten und gemeinsam Einschätzungen zur Gefährdung des Kindeswohles geben). Lehrer*innen sind da leider oft noch weit von entfernt.
Woran liegt das?
Das liegt meiner Meinung nach daran, dass Lehrer*innen einen Bildungsauftrag haben und die Pädagogik in dem Studium nicht ganz so großgeschrieben ist. Die Lehrer*innen, die bei mir Beratung suchen, das sind die ganz engagierten oder die ganz besorgten, die selbst auch schon Bauchschmerzen mit der Situation haben. Schulen haben zwar auch Handlungsrichtlinien, aber die sind im Kollegium nicht sehr präsent. Es ist natürlich auch so, dass Lehrer*innen an sich häufig schon so überlastet sind, mit dem was sie noch zusätzlich leisten müssen, ich könnte mir vorstellen, dass sie darum dieses Feld oft aussparen. Daher müsste Schulsozialarbeit eigentlich an allen Schulen und in guter Besetzung sein.
Was empfehlen Sie Erzieher*innen und anderen Pädagog*innen, wenn sie sich mit dem Thema Kinderschutz auseinandersetzen?
Wichtig ist es, individuell auf jede Familie einzeln zu schauen und das Bestmögliche für das Kind zu überlegen. Aber auch Beobachtungen von Emotionen zu trennen. Kinderschutz kann nicht festgemacht werden an den Erfahrungen und der Biografie der Erzieher*in/Pädagog*in selbst, die entscheidet, „wann etwas schlimm“ ist. Kinderschutz braucht ganz klare Handlungsrichtlinien, nämlich, dass erst einmal erkannt werden muss: Wann ist das Wohl gefährdet oder geht es dem Kind gut? Und geht es ihm nicht gut, was mache ich dann …
Am besten stellt man sich zunächst einmal die Frage: „Was ist es konkret, das mich beunruhigt?“. Notizen machen hilft, um eine Entwicklung nachzuvollziehen. Es stützt einen und macht Mut, wirklich etwas zu unternehmen, wenn man es so schriftlich vor sich hat. Wichtig ist: Je brisanter das Thema, desto konkreter und deutlicher muss man schauen.
Was passiert bei Ihnen in der Beratung genau?
Bei Supervisionen oder Beratungen schauen wir zusammen immer noch mal aufs Kind, auf den speziellen Fall und überlegen zum Beispiel, wie wir in der Kita oder auch im Jugendamt etwas für das Kind tun können. Auch Elterngespräche können hier vorbereitet werden: Wie kann man Eltern ansprechen, wer hat einen guten Draht zu den Eltern, was ist zu beachten?
Bei der Ansprache der Eltern sind Respekt und Wertschätzung wichtig, aber auch konkrete Verabredungen zu treffen. „Wir machen uns Sorgen …“, „Wir haben beobachtet …“ oder „Wo brauchen Sie Unterstützung?“ Eltern sind die Experten für ihre Kinder. Erst wenn es nicht gut läuft, dann müssen wir eingreifen.
Was hat es mit dem Handlungsleitfaden auf sich?
Es ist das Ansinnen, dass jede Erzieherin weiß, es gibt in meiner Einrichtung einen Handlungsleitfaden, es gibt Ansprechpartner*innen. Dann traut sich auch jede*r, mehr zu sehen und ist gefestigt als Ansprechpartner*in für diese Kinder, die auf unterschiedliche Art und Weise zeigen, dass sie Sorgen oder Probleme haben.
Der Handlungsleitfaden beinhaltet zum Beispiel, sich tatsächlich einmal im Vierteljahr unter Kinderschutzaspekten jedes Kind anzuschauen. Ohne diese Systematik des regelmäßigen, konkreten Hinschauens merkt man vieles im Alltag nicht. Und ganz wichtig: Dann muss festgelegt werden, ob das Kindeswohl in Ordnung ist, gefährdet ist oder vielleicht gefährdet ist. Ist etwas nicht okay, dann schaut man weiter: Was ist da eigentlich? Es gibt verschiedene kleine Bausteine, wie einen Erstverdacht, nochmal schauen, dranbleiben, mit Eltern sprechen … Das alles ist aufgeführt im Leitfaden.
Wie sieht es Ihrer Meinung nach mit dem Kinderschutz in Potsdam aus?
Potsdam hat viel Geld für Prävention in die Hand genommen: Familienzentren, Eltern-Kind-Gruppen, pädagogische Spielgruppen, Familienhebammen, die Beratungsstelle „Vom Säugling zum Kleinkind“, Familienbegrüßungsdienst. Die vielfältige Arbeit mit den verschiedenen Institutionen – das alles bietet eine gute Grundlage für Vernetzungen.
Und die Stadt Potsdam finanziert durch die hiesigen Beratungsstellen die „Insoweit erfahrenen Fachkräfte“, auf die jede pädagogische Fachkraft kostenlos und innerhalb von 24 Stunden zugreifen kann, wenn es nötig ist.
Außerdem kann sich jeder Mensch – jeder überforderte Vater oder Mutter, Großeltern, Schwester, Onkel etc. in Potsdam kontextlos und kostenlos für sieben Beratungen an eine Beratungsstelle wenden, wie zum Beispiel Lösungswege, Potsdamer Betreuungshilfe etc. Die Adressen findet man ja auch in Ihrem Magazin.
Und zum Abschluss?
Kinderschutz ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag. Wir können nicht die Welt retten, aber wir können wirklich aufmerksam die uns anvertrauten Kinder beobachten und ernst nehmen. Das ist unsere Verantwortung!
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Den kompletten Artikel findet ihr auf der Internetseite von www.potskids.de
Quelle: www.potskids.de